Reisetagebuch

Das erste Mal Geländereiten ohne Sattel
Das erste Mal Geländereiten ohne Sattel

Reit-Training in Austin

Heute wechsele ich wieder vom Autofahrersitz auf den Pferderücken. Aber dieses Mal möchte ich nicht nur einfach auf einem verhaltensgedämpften Pferd im Schritt in der Gruppe reiten, sondern auch etwas lernen. Deswegen habe ich mich bei einer Ranch in Lockhart südlich von Austin zu einem Horsemanship Trail Ride angemeldet. Hier kann ich reiten, bekomme aber auch noch etwas beigebracht. Um 10 Uhr soll ich da sein und vor lauter Angst, dass ich zu spät kommen könnte, bin ich natürlich schon eine halbe Stunde zu früh auf dem Gestüt. Auf dem Parkplatz sehe ich ein Schild, dass man im Auto sitzenbleiben soll, bis man von jemandem abgeholt wird. Bis 10 Uhr passiert das aber nicht. Dann mache ich mich bei einer Frau bemerkbar. Es ist Christina, bei der ich auch den Kurs habe. Sie brüllt nur zu mir herüber ich solle zu ihr kommen, beachtet mich dann aber nicht weiter, sondern kratzt weiter den Pferden die Hufe aus. Später sagt sie mir, ich solle die Einwilligungserklärung durchlesen und ausfüllen. Ich überfliege sie und unterschreibe. Christina kommt aber zu mir und erklärt oberlehrerhaft, ich habe sie überhaupt nicht richtig gelesen und müsse jetzt noch einmal alles lesen. Ich finde das ziemlich unsympathisch und tue natürlich nur so, als würde ich es nochmal lesen. Immerhin bezahle ich Geld hierfür. Ein bisschen Freundlichkeit würde ich schon erwarten, auch wenn es hier ums Reiten geht. Außerdem müsse ich noch eine weitere Stunde warten, denn es kämen noch zwei weitere Personen, die mitreiten würden. Die fahren auch wenig später mit ihrem Auto vor.

Pferdefrau ohne Sozialkompetenz

Christina hebt nun an zu ihren Erläuterungen, dass sie nichts von den üblichen Reitveranstaltungen hält, wo man in einer Reihe hintereinander reite. Ihre Pferde seien lebendig und selbstständig denkende Wesen, was sie ihnen nicht austreiben wolle. Um uns mit den Pferden bekannt zu machen, sollten wir sie erst einmal ausgiebig striegeln. Die beiden Mitreiter, ein Mann und eine jüngere Frau, scheinen davon nicht angetan zu sein. Sie haben wohl etwas anderes erwartet. Ich eigentlich auch, aber ich ahne, dass ich hier vielleicht doch noch etwas lernen kann. Die beiden anderen sehen das anders und verabschieden sich wieder. Ich finde es auch sehr befremdlich, aber ich habe bezahlt und immerhin bekomme ich jetzt Einzelunterricht. Ein Hufschmied ist gerade auf dem Hof und schneidet den anderen Pferden die Hufe und Christina fachsimpelt mit ihm, während mir nichts anderes übrigbleibt, als das Pferd zu striegeln. Das habe ich bisher noch nie gemacht, aber mir ist klar, dass es ohne Frage zu einem besseren Verhältnis zwischen Pferd und Reiter beiträgt. Außerdem geht es zum Pferdehandwerk dazu. Denn das bedeutet Horsemanship übersetzt und dafür habe ich mich ja angemeldet und bezahlt.

Ohne Sattel durch das Unterholz

Christina fragt mich über meine reiterlichen Vorkenntnisse aus und ich antworte aufrichtig. Einige Reitstunden hatte ich zuletzt in Polen. Wirklich weiter gebracht haben die mich nicht. Galoppiert bin ich das letzte Mal vor 25 Jahren und auch nur ein einziges Mal, wobei ich fast vom Pferd gefallen wäre. Ob ich schon mal ohne Sattel geritten sei? „Nein“, antworte ich wahrheitsgemäß. Das ändert Christina gleich. Von einer Treppe steige ich auf das ungesattelte Pferd. Ich soll mit einem Finger eine Strähne der Mähne umwickeln und mich so daran festhalten. Dann laufen wir los. Sie führt das Pferd am Zügel und wir gehen im Schritt einen Parcours ab. Ich habe es mir viel schwieriger vorgestellt, auf dem Pferd einen guten Halt zu haben. Eigentlich fehlen mir in dieser langsamsten Gangart nur die Steigbügel für einen sicheren Halt. Nach einer Runde gehen wir zurück zum Stall und satteln das Pferd. Dann geht es hinaus ins Gelände und wir reiten im Trab. Hier liegt bislang meine Fähigkeitsgrenze, denn ich habe zwar bei meinem Reitkurs in Polen gelernt, wie richtiges Traben geht, hatte aber nie genug Zeit es zu üben. Außerdem unterscheidet sich das Traben im englischen Stil, den ich in Polen gelernt habe, vom Western-Stil, der in Amerika geritten wird. Ich schlage mit dem Hintern ständig bei jedem Schritt des Pferdes auf den Sattel. Das hält man nicht lange aus. Nach einer Weile finde ich aber die richtige Haltung heraus. Das geht aber sehr auf die Rückenmuskulatur und ich bin bald außer Atem. Christina reitet derweil selbstverständlich auch ohne Sattel in allen Gangarten vor mir her.  Dass sie es kann und ich nicht, bedeutet aber für mich auch, dass man es mit Übung lernen kann. Leider habe ich nicht so viel Gelegenheit dazu, obwohl ich überall ausreite, wo sich die Gelegenheit dazu bietet. Schließlich probieren wir auch noch den Galopp aus. Hier geht es für mich gar nicht mehr um die Haltungsnote, sondern ums Draufbleiben.

Ich habe furchtbaren Durst und bin ziemlich erschöpft als wir zurück zum Stall traben. Aber ich habe in den letzten Stunden mehr gelernt als in den letzten Jahren zusammen. Christina geht zurück ins Haus und holt sich etwas zu trinken. Ich bekomme nichts, sondern soll noch eine halbe Stunde mit dem Pferd am Zügel zum Abkühlen herumlaufen. Als ich die Zügel übergebe, lässt mich Christina wieder links liegen. So sehr wie ihre reiterlichen Fähigkeiten ausgeprägt sind, umso unterentwickelter ist ihre Sozialkompetenz. Auch unterwegs beim Reiten hat sie allerlei unsympathischen Unsinn erzählt, den ich gar nicht wiedergeben möchte. In der Abwägung war es aber ein erfolgreicher Tag, denn ich habe viel gelernt, was ich künftig anwenden kann. Ich sehe auch an mir, dass ich mehr geleistet habe als bei der letzten Reit-Tour bei Amarillo vor einigen Tagen. Ich bin halb verdurstet, nassgeschwitzt und meine Hose ist dreckig.
Im Auto pumpe ich erst einmal eine Flasche Wasser ab, dann noch eine und fahre dann zurück zu meinem Hotel. Dort gönne ich mir ein Mittagessen aus der Dose. Dieses Mal ist es Manhattan Clam Chowder, ein Muscheleintopf, der mir gut schmeckt. Nach einer ausgiebigen Dusche mache ich eine Stunde Mittagsschlaf, denn ich brauche heute später am Tag noch meine Konzentrationsfähigkeit.

Der Outdoor-Tempel Cabela’s

Der riesige Cabela's Store in Buda südlich von Austin, Texas
Der riesige Cabela's Store in Buda südlich von Austin, Texas

Ich bin nämlich von meinem Bruder beauftragt worden in einem riesigen Geschäft der Kette Cabela#s einige Einkäufe für ihn zu tätigen. Das passt mir gut, denn auch ich bin noch nicht fertig mit meinen Einkäufen. Für die bevorstehende Zugreise der nächsten Tage brauche ich auf jeden Fall noch eine Jacke oder einen warmen Pullover. In allen anderen Geschäften, in denen ich bisher war, hatte sie die warme Kleidung zum Beginn der Frühjahrs- und Sommersaison noch konsequenter weggeräumt als bei uns. Die Sachen für meinen Bruder habe ich schnell zusammengesammelt. Unter den Artikel ist auch eine große Kühltasche, die ich keinesfalls in meinem Koffer unterkriege. Aber ich kann sie zu meinem neuen Handgepäck machen und alles, was ich in meinem Rucksack habe, in die neue Box packen. Sie ist zwar sperriger, aber ich traue mir das zu.

Kühlbox von Cabela's
Kühlbox von Cabela's

 Schließlich finde ich in der Damenabteilung auch noch einen schönen Markenpullover für mich.

Mein Beutezug ist damit erfolgreich und ich fahre wieder zurück ins Hotel. Zum Abendessen gibt es dort auf dem Zimmer einen Fertig-Salat und Chili con Carne aus der Dose ohne Reis oder irgendetwas anderes. Aber das macht nichts. Es ist schon der zweite Tag meiner Konservendosenernährung und ich bin überrascht, dass ich mit zwei kleinen Dosen am Tag auskomme. Mal schauen, ob und wann ich die Lust daran verliere. Immerhin nehme ich weniger als 1000 Kalorien täglich zu mir. Das ist ziemlich wenig dafür, dass ich auf Reisen bin und zumindest heute den mit Abstand anstrengendsten Tag hinter mir habe.

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Jessica Welt

Seit etwa drei Jahren lasse ich auf meinen Reisen einen GPS-Tracker mitlaufen und füge alle zurückgelegten Routen in diese Karte ein. Strecken, die ich auf dem Landweg zurückgelegt habe, kennzeichne ich orange, welche, die ich zu Fuß gelaufen bin in grün und die, die ich auf dem Wasser per Boot oder Schiff bewältigt blau.