Reisetagebuch

Italien: An der Mera

Nach dem anstrengenden Tag gestern ließen wir es heute langsamer angehen, nahmen uns Zeit für das Frühstück und aßen auch den Mittagsimbiss in unserer Hütte. Zuvor war ich eine Stunde den See entlang nach Norden spaziert. Schon kurz hinter unserem Campingplatz durchfließt ein Flüsschen namens Mera den Lago die Mezzola und mündet von dort in den Comer See. Während ich an dem smaragdgrünen Wasserlauf entlang ging, stellte ich für mich ohne genauere Kenntnis der regionalen Geografie die Theorie auf, dass die Mera möglicherweise immer größer wird und dann durch Meran fließt, wodurch die Stadt ihren Namen erhalten hat. Nun habe ich mich mittlerweile mit Hilfe der Wikipedia kundig gemacht und weiß nun, dass Meran tatsächlich viel nördlicher in Richtung Alpen liegt und die nur 50 Kilometer lange Mera dort gar nicht hinfließen kann. Außerdem stammt der Name von Meran von dem lateinischen Wort für einen Meierhof (lateinisch maioria) ab, wandelte sich dann im Jahr 857 von Mairania zu Mairanum (1237) und erreichte das heutige Meran 1317.

Kreuzsee

Noch bevor die Kapellen und Kirchen rings um uns Schlafende in der kleinen Hütte am Ortsrand von Gera Lario um sieben Uhr mit ihrem Morgengeläut begannen, war ich heute wach. Ich richtete unser Frühstück, das bei mir die Besonderheit innehat, dass es aus einer koreanischen Nudelsuppe besteht, die ich heute mit Lauch und Ingwer und einem rohen Ei erweiterte. Die Zubereitung dauert so einen Moment länger, ist nun aber schon seit über einem Jahrzehnt meine Gewohnheit, für die ich, außer dass sie ungewöhnlich ist, keine Gründe finde sie abzulegen.
Durch diesen frühen Start in den Tag waren wir bereits vor zehn Uhr mit unserem Boot auf dem Wasser und dort so früh am Morgen die einzigen. Auf dem Comer See spielt der Wind die Hauptrolle. Vor allem im nördlichen Teil des Gewässers weht er morgens von Norden, um dann nach Mittag die Richtung zu ändern und aus der Gegenrichtung zu blasen. Mit diesem Wissen wollten wir am Vormittag probieren, wie weit südlich wir fahren konnten, um dann in der zweiten Tageshälfte mit dem Wind im Rücken wieder zurück nach Norden zu gelangen. Auf der spiegelglatten Seeoberfläche dieses Morgens passierten wir in Gleitfahrt bald nicht nur den malerischen Ort Bellagio, sondern wenig später auch die Villa Carlotta, die wir gestern besucht hatten. Wir kamen am Ort Nesso vorbei, wo neben efeubewachsenen Gemäuern Steinbrücken einen schmalen Zufluss zum See überspannen, der von einem aus der Höhe herabstürzenden Wasserfall gespeist wird. Mir lag ein Vergleich mit Mittelerde aus dem „Herr der Ringe“-Epos auf den Lippen. Unnötig, denn es genügt sich zu freuen, dass auch unsere Erde solche fantastischen Orte für uns bereithält.

Comer See - Zwei Lehrstücke am ersten Tag

Gestern war nach langer Anreise an die Nordspitze des Comer Sees erst spät ins Bett gekommen. Dies steht in einer gemütlichen, reinlichen Hütte auf einem Campingplatz am Ortsrand von Gera Lario. Allerdings ist es ein Stockbett und ich schlafe unten. Als man das Bettgestell konzipiert hatte, waren die Menschen wohl kleiner und offenbar auch lederhäutiger. Denn stößt man von unten an die Bettunterseite, kann man sich leicht die Haut an dem Drahtgeflecht der Federung mit spitzen, scharfen Kanten aufreißen. Dafür bieten die umgebogenen Drahtenden zahlreiche Möglichkeiten um allnächtliche Utensilien wie beispielsweise meine Stirnlampe, Ohrenstöpsel und Handy griffbereit zu befestigen. Diese Gelgenheit nutze ich gerne und knüpfe damit an meine letzte Reise an, als ich vor einigen Wochen auf dem Segelschulschiff "Alexander von Humboldt II" über die Nordsee gesegelt war. Dort waren in meiner Koje auch mehrer Haken vorhanden, so dass es mir gelungen war, meine Kleidung, sowie ständig benötige Gegenstände wie Trinkflasche, Sonnenbrille und sogar den Waschbeutel und die Kameratasche frei schwingend in Reichweite zu befestigen.
Vor der Hütte befinden sich ein Kühlschrank, ein Gasherd und ein Waschbecken unter einem zwei Meter breiten Vordach. Für die Zubereitung der Mahlzeiten und den abendlichen Aufenthalt, um in Ruhe diese Zeilen zu schreiben, ist diese Konstellation vollkommen ausreichend.