Über Nacht hat der Zug Nebraska durchquert und als ich aufwache leuchtet gerade die Prärie der Great Plains von Colorado im Sonnenaufgang. Ich beginne mit der minimalen Morgentoilette, für die man nicht mehr braucht als eine Zahnbürste, Zahnpasta, eine volle und eine leere Wasserflasche.
Als das erledigt ist, kommt Denver in Sicht. Vom Zug aus ist nichts Spektakuläres aus zu erkennen aber es steigen hier viele aus und ein.
Überquerung der Rocky Mountains
Hinter Denver geht es dann hoch in die Rocky Mountains. In den Serpentinen ist es eine erste Gelegenheit mal den ganzen Zug mit den beiden Lokomotiven zu sehen. Es gibt auch einen Panorama-Wagen, bei dem die Sitze quer zur Fahrtrichtung angeordnet sind und man durch große Fenster auch nach oben einen freien Blick auf die Szenerie hat, die in den kommenden Stunden an uns vorbeiziehen wird. Bis auf über 3000 Meter Höhe wird der Zug in die Bergkette hinauffahren.
Die Berghänge sind von lichten Nadelwäldern geprägt und auf den Gipfeln liegt noch Schnee. Die Strecke trifft auf den Eagle River und schlängelt sich an ihm entlang. Hier beginnen auch die ersten Canyons aus rotem, kantigen Fels. Damit habe ich gar nicht gerechnet, doch als der Eagle River in den Colorado River mündet gibt es eine sagenhaftes Schluchtenszenerie zu sehen und ich kann verstehen, weshalb beim California Zephyr ein Panoramawagen angehängt ist. Ich bleibe aber auf meinem Sitzplatz hinten im letzten Waggon, denn auch von dort habe ich einen ausgezeichneten Blick. Außerdem kann ich so zusätzlich auch hinten aus dem Zug schauen, fotografieren und filmen.
Ein freundlicher Gruß von den Schlauchbooten auf dem Colorado River
Der Colorado River ist ein schmaler, aber reißender brauner Fluss, in dem das Wasser meist in den Stromschnellen brodelt. Ein Paradies für Rafter. Entlang des Colorado Rivers habe ich nun unaufgefordert schon mehrere nackte Pobacken im Vorbeifahren gesehen. Die Rafter auf dem Fluss verstehen es nämlich als ihre Tradition, dem vorbeifahrenden Zug der "California Zephyr"-Linie zum Gruß ihr nacktes Hinterteil zu zeigen. Ich war leider nicht schnell genug, ihren Gruß zu erwidern.
Mir wird klar, dass ich von der Landschaft der USA bislang keine richtige Vorstellung hatte. Mit diesen Canyons hätte ich unten im Süden gerechnet. Aber auf meiner imaginären Landkarte hatte ich auch den ganzen Bundesstaat Colorado viel weiter im Süden angeordnet. Dabei sind die Berge der Rocky Mountains ja ein bekanntes Skigebiet. Hier liegt auch Aspen.
Falsch angeordnet hatte ich auch Utah, das ich ebenfalls viel weiter im Süden vermutet habe. Von der Landschaft dieses Staates, der sich westlich an Colorado anschließt, hatte ich bislang überhaupt keine Vorstellung. Doch hier gibt es die oben flachen und senkrecht abfallenden Tafelberge zu sehen. Die hatte ich in Arizona verortet und nicht damit gerechnet, sie auf dieser Reise zu sehen. Es sind nicht nur ein zwei, sondern die gesamte Strecke, die wir durch den Norden von Utah zurücklegen, ist von ihnen geprägt.
Eine Fastenreise im Zug
Zum Frühstück gab es heute einen Kaffee (2,75 Dollar). Zum Mittagessen gab es eine Dose Hühnchen Jambalaya-Eintopf, die ich genoss, während ich sie mit meinem Spork (am einen Ende Spoon, am anderen Ende Fork) langsam löffelte. Um vier Uhr holte ich mir dann noch einen Kaffee und zum Abendessen gab es eine Dose Spicy Chicken Noodle Soup. Sie war vor allem aber scharf und hatte viel Brühe. Kaum Hühnchen und Nudeln, gerade mal 280 Kalorien hatte diese Portion. Insgesamt habe ich heute keine 800 Kalorien zu mir genommen. Ich könnte mir natürlich auch einfach im Bordrestaurant etwas kaufen oder eine Tüte Zucker in den Kaffee machen. Aber das wäre ja zu leicht. Deswegen habe ich nun am späten Abend auch Kopfschmerzen und keine rechte Lust noch etwas am Laptop zu arbeiten. Also schaue ich mir einfach nur die herrliche Landschaft an und höre dabei Musik. Ich habe rausgefunden, dass für mich zu dieser Landschaft am besten die Rolling Stones passen. Bevor ich einschlafe, stelle ich meine Uhr noch eine Stunde weiter, denn in Colorado und Utah gilt Mountain Time. Wenn ich morgen früh aufwache, werde ich in Nevada sein, wo dann schon die Pacific Time-Zone beginnt.