Reisetagebuch

Unterricht im Kaffeekochen

Coffee to go

Es hätte heute schneien müssen, damit dieser Motorradtag noch abwechslungsreicher hätte sein können. Er begann mit einem gemeinsamen Frühstück in unserem Hotel in Salento. Die anderen haben gestern Experimente mit Schnaps und anderen Longdrinks durchgeführt, weswegen heute noch nicht alle so taufrisch wie sonst sind. Trotzdem sind wir um 8 Uhr auf den Motorrädern und fahren steil bergan zu einem Aussichtspunkt. Dann geht es schon gleich weiter einen Feldweg hinab und hinauf, der abwechselnd mit groben Feldsteinen gepflastert ist oder an manchen Stellen auch sehr matschig und deswegen rutschig ist. Wir erreichen die Finca einer Kaffeeplantage und trinken dort standesgemäß zunächst erstmal einen Kaffee. Dann gehen wir mit einem Mitarbeiter der Finca, der Andres heißt und neben gutem Englisch und seiner Muttersprache Spanisch auch sehr verständliches Deutsch spricht auf die Pflanzung. Er erklärt uns ausführlicher als es sich manche unserer Gruppe wünschen, wie das Leben einer Kaffeepflanze im allgemeinen abläuft und wie aus der Frucht ein hochwertiges Lifestyle-Produkt wird.

Danach geht das ein weiteren nur grob gepflasterten Feldweg bergauf und wir erreichen die Hauptstraße. Allerdings hat eines unserer Teammitglieder Probleme mit dem Vorderrad. Zwei Speichen haben sich gelöst und die Schrauben sind unterwegs schon verloren gegangen. Wir fahren also als nächstes hinein nach Pereira um in einer nicht besonders feinen Gegend eine Motorradwerkstatt zu finden, die die Speichen wieder befestigen kann. Noch wichtiger: dass sie die Torx-Schrauben besorgen kann, mit der an dieser BMW GS-Maschine alle Teile befestigt sind. Wir nutzen die Wartezeit zu einem Mittagessen in einer typisch kolumbianischen Gastwirtschaft. Sean kann mit dem einfache  kolumbianischen Essen nichts anfangen, doch ich habe mich schon daran gewöhnt, dass es frittierten Schweinespeck, Reis mit einem Spiegelei obendrauf, Bohnen, Avocado und eine frittierte Plantane gibt. Nach dem Mittagessen müssen wir doch noch eine ganze Weile warten, bis das Motorrad wieder fahrbereit ist. Als es soweit ist, fahren wir  wiederum auf die Hauptstraße, doch unterwegs fängt der eben erst reparierte Vorderreifen wieder bedenklich an zu flattern. Das nächste Stück der Strecke ist fast wie eine Rennstrecke mit tollen langgezogen und immer abwechselnden Kurven links und rechts. Sean, Jonathan und ich versuchen so nah wie möglich an die optimale Linie heranzukommen, denn Verkehr herrscht kaum und ich fahre meine Kurven sicherlich so kontrolliert, gut, tief und schnell wie bisher noch nie in einem so langen Stück. Als wir oben auf dem Hügel ankommen, bemerken wir jedoch, dass wir Aaron verloren haben. Wir warten eine Weile, dann fährt einer wieder zurück, um zu schauen, was mit ihm geschehen ist. Es stellt sich allerdings heraus, dass er einfach nur falsch abgebogen ist, weil er immer wieder sehr weit zurück fällt. Wir müssen also in die Stadt hinein fahren, die wir eigentlich umgehen wollten, um Aaron dort aufzusammeln, sind gleich mitten in üblem Stadtverkehr gefangen und stehen an jeder Ampel. Als wir von dort endlich frei gekommen sind, geht es hoch in die Berge. Und zwar richtig hoch, nämlich auf fast 4000 Meter Höhe. Dazu ziehen wir extra noch einen Pulli unter unsere Motorradjacken und unsere Regenkleidung obendrüber, um für alles gewappnet zu sein, was uns dort oben erwartet. Wir wissen, dass das Mikroklima auf der einen Seite und der anderen Seite des Berges komplett unterschiedlich sein kann. Das ist es auch, denn auf der anderen Seite sind wir plötzlich mitten in den Wolken. Wenig später wird der Nebel/die Wolken so dicht, dass man kaum noch fünf Meter weit sehen kann. Es ist sicherlich der dichteste Nebel, den ich bisher erlebt habe. Wir machen unsere Warnblinkanlage zusätzlich an um die Distanz zum Vordermann und die Fahrlinie besser abschätzen zu können. Dann bricht zu allem Überfluss auch noch schlagartig die Dunkelheit herein und der Verkehr wird noch abenteuerlicher als ohnehin auf dieser Strecke schon. Ständig müssen wir in den Gegenverkehr hinein überholen, die Fahrzeuge, die uns entgegenkommen fahren oft mit Fernlicht oder abenteuerlicher Beleuchtung, die uns blendet und keine Kurve lässt sich richtig abschätzen, wie eng sie zu nehmen ist. Als wir von den Bergen herunter sind, machen wir noch schnell eine Pause um noch einmal eine Flasche Wasser zu trinken, dann geht es eine letzte Stunde Fahrt entlang in der Ebene nach Honda, das wir erst um 20  Uhr abends erreichen. Es gibt ein schnelles Abendessen und wir besprechen noch einmal den Tag. Wir sind alle überrascht wie abwechslungsreich er war und sind doch sehr gezeichnet von den Anstrengungen, die er für uns bedeutet hat.

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Jessica Welt

Seit etwa drei Jahren lasse ich auf meinen Reisen einen GPS-Tracker mitlaufen und füge alle zurückgelegten Routen in diese Karte ein. Strecken, die ich auf dem Landweg zurückgelegt habe, kennzeichne ich orange, welche, die ich zu Fuß gelaufen bin in grün und die, die ich auf dem Wasser per Boot oder Schiff bewältigt blau.