Reisetagebuch

Japanische Tapas

"Japanisches Essen ist teuer." Diese Behauptung stimmt genauso wenig, wie die Aussage, Japan sei ein teures Land. Richtig ist vielmehr: Japan hat ein beseres Preis-Leistungs-Verhältnis als anderswo. Besonders trifft das auf Essen zu. Kleine Köstlichkeiten gibt es auch für kleines Geld an Orten, von denen man es am wenigsten erwartet.

Es sei das günstigste Essen in ganz Tokio. Mit diesem Versprechen lockten mich meine japanischen Bekannten bis in die kleinsten Gässchen des Tokioter Stadtteils Kitazawa. Vor einer Spelunke, die genau diese Bezeichnung verdient, trafen wir auf den Wirt, der sehr nach Kanaille aussah und wurden freundlich von ihm begrüßt. Man war offensichtlich außerdem miteinander bekannt.
Seine Wirkunsstätte war eine typische Arbeiterkneipe, ungefähr vergleichbar mit den Eckkneipen in Deutschland. Am Tresen saßen entsprechend auch die japanischen Äquivalente deutscher Thekenbesetzungen.

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Im hinteren Bereich befand sich der "Speisesalon", der einfacher nicht hätte sein können. Drei Bierkisten mit einem Brett darauf. Über den Köpfen hingen kleine weiße Fähnchen mit den angebotenen Speisen und Getränken und den dazugehörigen Speisen. Die japansiche Variante unserer Tafel mit Kreidebeschriftung.
{flickr photo=48261757767 align=right size=small}Zu Trinken gab es eine Flasche Sapporo-Bier, die wir in kleinen Gläsern unter uns vier teilten. Dann Sake, den ich zu unrecht als wiederlichen, fuseligen Reisschnaps, wie ich ihn aus Thailand kenne, vorveruteilt hatte. Tatsächlich ist es aber ein sehr weicher Wein, der bestens zu vielen der gleich folgenden Gerichte passte.

Als erstes fanden sich etwa drei Dutzend Jakobsmuscheln auf unserem Tisch ein. Mit etwas Wasabi und kurz in Soja-Sauce getunkt, waren sie ein guter Start in den kulinarischen Abend. Der zurückhaltende Geschmack der Muschel-Nuss verstellte uns nicht durch Würze den Weg zu den folgenden Gabelbissen. Gleiches gilt für das dazu aufgetragene Schälchen mit jungem Wurzelgemüse, das vielmehr zusätzlich noch den Geschmack neutralisierte.

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Als nächstes folgte ein erstes Highlight, das ich hier und für diesen Preis von zwei Euro nicht erwartet hätte. Thunfischstreifen, wie man sie auch vom Sushi kennt. Allerdings so zart, dass man sie mit der Zunge zerdrücken konnte. Wasabi war hier als zusätzlicher Effekt überhaupt nicht angezeigt und höchstens ein Tropfen Soja-Sauce konnte die Streifen noch verfeinern.

Butterweicher Lachs

Nun ging es aber auch schon in medias res. Das nächste Gericht hielt ich Farbe, Form und Biss nach für Tintenfisch. Dabei war das Fleisch noch etwas knackiger; in etwa wie bei sehr frischen, fast halbgaren Sepien. Das lag daran, dass es sich in Wahrheit um Seeschnecken, genauer Wellhornschnecken, handelte. Glücklicherweise scheiterten alle Übersetzungsversuche und erst zu Hause erfuhr ich, was ich am Abend gegessen hatte. Ansonsten hätte ich es mir vielleicht aus unbegründeter Abneigung versagt.

 

Als Anhängerin des deftigen Geschmacks war das folgende japanische Tapas-Tellerchen der absolute Spitzenreiter. Hühnerbruststreifen medium rare, die nur kurz von außen angegart, in der Mitte aber noch vollkommen roh waren. In Deutschland schrillten da wohl die Salmonellen-Alarmglocken. Hier in Japan hatte ich aber diesbezüglich keinerlei Sorgen. Bei diesem Gericht geht es vor allem um den besonderen Fleischgeschmack, umami im Japanischen. In Japan ist das eine zusätzliche Geschmacksrichtung wie süß und sauer. Übrigens ist es der gleiche Geschmack, der mit Mononatriumglutamat (MSG/Geschmacksverstärker) reproduziert wird. Mit geriebenem Knoblauch und in Soja-Sauce getunkt waren diese Hühnchenstreifen mit Abstand der kräftigste Teil des Abends.

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Hiernach konnte es auf der Deftigkeits-Skala nur noch nach oben gehen. So folgten als nächstes der Klassiker Shrimp Tempura, im Teigmantel frittierte Garnelen. Und weil Shrimps nicht das einzige sind, was man sich in Japan zu frittrieren traut, trafen wenig später zwei aufgeklappt frittierte Blaufische ein, die geschmacklich schon fast bei den deutschen Fischstäbchen angekommen waren.

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Für vier Personen war das bisher aufgetafelte sicherlich als Abendessen ausreichend. Auch ohne Sättigungsbeilagen wie Reis oder Nudeln. Bevor ich aber abwinken konnte, trafen zwei Würfel frittierten Tofus ein, die ich eben nur Momente zuvor noch aus dem Augenwinkel gesehen hatte, wie der Wirt sie triefend aus dem Frittierbecken hob.

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Bevor ich noch eine diesbezügliche Hitze-Warnung auf Englisch heraus formulieren konnte, hatte meine Bekannte schon einen halben Quader kochendes Tofu mit Stäbchen in den Mund bugsiert und grimassierte entsprechend. Weil glücklicherweise sowohl mein Hunger als auch Appetit nach den vielen Gerichten schon wesentlich eingedämmt waren, fiel es mir nicht schwer, mich in Zurückhaltung zu üben. Der schließlich abgekühlte Tofu-Würfel war dann auch nahrhafter Abschluss eines preiswerten Ausfluges in die Welt der japanischen Tapas.

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Jessica Welt

Seit etwa drei Jahren lasse ich auf meinen Reisen einen GPS-Tracker mitlaufen und füge alle zurückgelegten Routen in diese Karte ein. Strecken, die ich auf dem Landweg zurückgelegt habe, kennzeichne ich orange, welche, die ich zu Fuß gelaufen bin in grün und die, die ich auf dem Wasser per Boot oder Schiff bewältigt blau.