Reisetagebuch

Polen/Deutschland: Langstreckenrekord

Polen/Deutschland: Langstreckenrekord

Ich würde sagen, heute habe ich die bisher längste Strecke auf dem Landweg zurückgelegt. Von unserer Zwischenübernachtung in Masuren brachen wir um acht Uhr morgens mit dem Bus der Bundeswehr auf und erreichten nachmittags etwa um vier Uhr die deutsch-polnische Grenze in Frankfurt/Oder. Nachdem der Bus die anderen Teilnehmer des Arbeitseinsatzes am Bahnhof abgesetzt hatte, fuhr er Werner und mich zum Hotel Alt-Beresinchen. Dort hatten wir vor zwei Wochen unsere Motorräder in einer für diesen Zeitraum gemieteten Garage abgestellt. Wir fanden sie wohlbehalten vor, als wir das Garagentor öffneten.

Schnell war das Gepäck aus meiner Reisetasche in den beiden Hartschalenkoffern meines Motorrades verstaut, der Rucksack mit meinem Notebook würde mein Beifahrer auf der Sitzbank sein. Auf meiner Motorradreise durch Kolumbien hatte ich das erste Mal die Vorzüge eines Packnetzes kennengelernt, das mit drei Haken auf jeder Seite in die Haltebügel für die Koffer eingehängt wird und das alle möglichen Gepäckstücke sicher festhält. Das ist die deutlich bessere Lösung, als mit sechs Leinenstücken die einzelnen Schlaufen einer Reisetasche oder eines Rucksacks zu verzurren. Währen der Fahrt rüttelt sich nämlich alles immer locker und man kann nicht mal schnell an das Gepäckstück dran, sollte es notwendig werden. Unter das Netz kann ich nun außerdem auch immer eine Wasserflasche klemmen und habe sie so griffbereit. Bislang hatte ich die immer hinten im Topcase, was bedeutet, dass ich für jeden schnellen Schluck Wasser vom Motorrad steigen musste.

Werner schlug vor, auf die Fahrt auf der Autobahn zu verzichten und stattdessen mit ihm die Landstraße von Frankfurt/Oder über Lübben und Herzberg nach Leipzig zu fahren. Meine Temperaturanzeige am Motorrad zeigte bei unserer Abfahrt am Hotel um halb fünf über 30 Grad an und die Sonne brannte vom Himmel. Wenn wir bei diesen Bedingungen auf der Autobahn in einen Stau geraten würden, wäre es eine schlimme Quälerei. Tatsächlich war die Fahrt auf der Landstraße genau das, was ich mir gewünscht hatte. Es war kaum Verkehr und wir fuhren oft unter schattigen Alleen und durch den Wald. Dennoch zeigte mir das Thermometer erst abends um halb neun das erste Mal unter 30 Grad an. Bei Taucha verabschiedete ich mich von Werner an einer Tankstelle und fuhr auf die Autobahn 14, die A9, die A4 und schließlich die A7. Insgesamt legte ich noch einmal 610 Kilometer auf dem Motorrad bis nach Hause zurück, nachdem ich bis dahin bereits 587 Kilometer mit dem Bus von Sorkwity in Masuren zurückgelegt hatte. In Summe waren das also 1200 Kilometer an einem Tag und genauso fühlte sich mein Körper auch an. Irgendwann schmerzten der Rücken und auch die Knie sehr und ich begann mit Gymnastikübungen während der Fahrt, die etwas an den Ausdruckstanz von Kate Bush im Musikvideo von „Wuthering Heights“ erinnerten. Aber das half und der Hintern hörte irgendwann sogar auf zu schmerzen, weil alles taub wurde.

Um halb 12 kam ich nachts zu Hause an und konnte gar nicht glauben, dass ich noch am gleichen Tag in einem ganz anderen Winkel Europas losgefahren war. Ich war aber doch sehr erleichtert, dass die Langstreckenfahrt nun geschafft war. Unterwegs hatte ich mir fest vorgenommen, nie wieder länger als 500 Kilometer und nur fünf Stunden zu fahren. Aber schon jetzt da ich diese Zeilen schreibe, weiß ich, dass ich bereits nächsten Samstag wieder die „Adventurous Routing“-Funktion an meinem Navigationssystem einstellen werde, wenn ich zum nächsten Arbeitseinsatz über Kufstein an den Futa-Pass im Apennin fahre.

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Jessica Welt

Seit etwa drei Jahren lasse ich auf meinen Reisen einen GPS-Tracker mitlaufen und füge alle zurückgelegten Routen in diese Karte ein. Strecken, die ich auf dem Landweg zurückgelegt habe, kennzeichne ich orange, welche, die ich zu Fuß gelaufen bin in grün und die, die ich auf dem Wasser per Boot oder Schiff bewältigt blau.