Zu den Auslandsreisen der freiwilligen Arbeitseinsätze des Volksbunds Kriegsgräberfürsorge gehört nicht nur die Arbeit, sondern auch die gelegentliche Erkundung des Umlandes. Vor vier Tagen haben wir bereits im Nachbarort Overloon das Kriegsmuseum besucht. Heute fahren wir etwas weiter und besuchen die Metropole Amsterdam. Zwei Stunden brauchen wir dafür mit dem von der Bundeswehr für diesen Arbeitseinsatz zur Verfügung gestellten Bus, dann erreichen wir den Hauptbahnhof. Von dort haben wir zunächst Zeit zur freien Verfügung und ich nutze sie für einen Besuch des Rijksmuseum.
Es ist eines der bedeutendste Ausstellungshäuser der Welt. Der Weg führt mich durch das Bahnhofsviertel von Amsterdam, das touristisch geprägt ist. Aus den berüchtigte Coffee-Shops, wo man legal Cannabis-Produkte kaufen und konsumieren darf weht mir immer wieder der Duft von Gras entgegen. Einen Besuch wären sie ja mal wert, aber dieses Mal habe ich anderes im Sinn. Ich überquere Gracht für Gracht und spaziere durch die Amsterdamer Altstadt. Zahllose kleine Geschäfte, Cafés, Restaurant und Bars prägen die Erdgeschosse der schlanken, hohen Häuser aus Klinkermauerwerk. Es finden sich auch die üblichen McDonalds’s, Starbucks und Modeketten wie Zara, Urban Outfitter usw. Aber anders als in vielen deutschen Innenstädten prägen sie hier nicht das Bild mit ihrem sterilen Einheitslook.
Die Amsterdamer Innenstadt ist quirlig, Fußgänger und Fahrradfahrer teilen sich den Verkehrsraum. Bis auf einige große Hauptstraßen spielen Autos nur parkend oder als Lieferverkehr eine Rolle. Die schmalen Straßen entlang der ringförmig um die Innenstadt verlaufenden Grachten sind für Fahrzeige riskante Nadelöhre. Ich beobachte auf meinem Weg mehrfach, wie Lieferwagen währen des Entladens lange Zeit den Verkehr lahmlegen und den dahinter Schlange stehenden Autos nichts anderes übrigbleibt, als geduldig zu warten. Wer mit dem eigenen Fahrzeug nach Amsterdam hineinfährt, muss Zeit mitbringen. Am besten auch einen eigenen Parkplatz, denn freie Parkplätze sehe ich auf meiner Wanderung in der Amsterdamer Altstadt nicht. Parken kostet 7,50 Euro die Stunde und die städtische Verkehrsüberwachung kontrolliert das mit Kamerafahrzeugen, bleibt aber mitunter selbst im Verkehrsstau stecken.
Ein Segen ist das Verbot der E-Scooter, die in deutschen Großstädten kreuz und quer die Gehwege blockieren. Man hat nicht den Eindruck, dass die Amsterdamer sie vermissen würden. Wären sie aber gestattet, wäre es auf dem engen Raum zwischen den Grachten ein Chaos. Bekanntlich gibt es ausreichend Fahrradwege in den Niederlanden und auch in Amsterdam. Welche Vorfahrtsregeln zwischen Fahrradfahrern und Fußgängern gelten ist aber für mich als Beobachterin nicht zu erkennen. „Alles kann, nichts muss“ scheint das Prinzip zu sein, dem die Radfahrer folgen.
Ich erreiche das Rijksmuseum und fürchte eine lange Schlange wie beim Frankfurter Städel, wenn dort eine neue Ausstellung mit bekanntem Künstler-Namen gezeigt wird. Das Ticket kann man sich online buchen und ein QR-Code an der Fassade des Museumsgebäudes darauf hin. Ich habe allerdings meine Kreditkartennummer nicht im Kopf und muss am benachbarten Museumsshop eine Karte am Schalter lösen. Auch hier muss ich freitagnachmittags nicht warten.
Mich im Museum zu orientieren, gelingt mir nicht. Auf drei Stockwerken, werden die Kunstwerke niederländischer vom Mittelalter bis zur Neuzeit gezeigt. Nicht nur Gemälde, sondern auch Möbelstücke und Keramik sind zu sehen. Ich nehme mir gut zwei Stunden Zeit und kann mir in dieser Zeit einiges aber beileibe nicht alles anschauen und durchlesen. Die Tafeln neben den Ausstellungsstücken sind kurzweilig, teilweise auch mit ironischem Bezug Inhalt des Bildes. In anderen Museen sind die Erklärtafeln oft so von kunstgeschichtlichen Fachbegriffen gespickt, dass man nach dem Lesen ratloser ist als vorher. Im Rijksmuseum ist das nicht so.
Weil auf den Wegweisern im Treppenhaus besonders auf die großen Namen Vermeer und Rembrandt hingewiesen wird, erwarte ich dort großen Besucherandrang und keine Chance diese berühmten Gemälde in Ruhe zu betrachten. Doch Vermeers Dienstmagd mit Milchkrug hängt ganz unscheinbar an der Wand. Ohnehin stellt man sich das Bild, dass mir in Kolumbien auf einer ganzen Fassade begegnete, viel größer vor. In Wahrheit ist es gerade einmal etwas mehr als 40 auf 40 Zentimeter groß. Ich stehe alleine davor. In einem anderen Raum erkennt man Rembrandt Riesen-Gemälde der Nachtwache nur an der Schutzglasscheibe und der besonderen Konstruktion, die die bröckelnde, wellige Leinwand spannen soll. Ohne diese zusätzlichen Installationen wäre ich an dem Bild vorbeigelaufen, denn im Vergleich zu anderen Motiven, die daneben hängen, haben die dargestellten Motive einer Bürgergarde, die sich zur Patrouille bereitmacht, wenig Leuchtkraft und Prägnanz. Das ist sicherlich dem Alterungsprozess geschuldet, er dem Gemälde und seinen Farben stark zugesetzt hat.
Nach zwei Stunden tut mir der Rücken weh und ich will mich auf den Weg zurück zu unserem Treffpunkt am Hauptbahnhof machen. Dann stoße ich jedoch auf die Sonderausstellung mit Schiffsmodellen und allerlei ingenieurstechnischen Modellen vergangener Jahrhunderte. Von einer optischen Telegrafenanlage bis hin zum Urahn der Eisbrecher zeugen Miniaturnachbauten, von der Findigkeit vergangener Jahrhunderte.
Zurück am Treffpunkt unternehmen wir eine Grachtenrundfahrt mit dem Boot. Wir fahren einige der Kanäle entlang, an denen ich gerade erst vorbeigelaufen bin. Doch die Perspektive ist ein andere. Durch den tiefliegenden Blickwinkel im Boot sieht man viel mehr von den Fassaden der Bürgerhäuser und viele Details daran, die mir beim Vorbeigehen entgangen waren.
Es gibt viele Städte, deren Innenstädte architektonisch abscheulich sind, in denen man eine unangenehme Stimmung spürt, die langweilig oder die schlichtweg keine Gelegenheiten anbieten um zu verweilen. Das habe ich (in den wenigen Stunden, die ich heute dort ausschließlich in der Altstadt verbracht habe) in Amsterdam anders empfunden.