Die Stadtverordnetenversammlung ist das oberste Entscheidungs- und Beschlussorgan der Stadt Frankfurt. Die Stadtverordneten sind ehrenamtlich tätig und erhalten eine Aufwandsentschädigung.
Ich bin seit der Kommunalwahl 2011 eine von 24 Stadtverordneten der Fraktion Die Grünen im Römer.

Aufgaben der Stadtverordneten

Eigentliche Aufgabe der Stadtverordneten ist es, über die Angelegenheiten der Stadt und die Verwendung der Einnahmen der Stadt zu entscheiden, also den städtischen Haushalt zu beschließen. Dies geschieht in aller Regel einmal im Jahr (vgl. § 50 HGO)

Grundsätzlich sollen die Stadtverordneten den gestalterischen Rahmen für den Magistrat festlegen, in dem die Stadtverwaltung dann das Tagesgeschäft vollzieht. Entsprechend sollen sich die Stadtverordneten also nicht im Klein-Klein verlieren, sondern die gesamtstädtischen Zusammenhänge im Auge behalten.
Wie sehr die/der einzelne Stadtverordnete sich an diese Aufgabenbeschreibung hält bleibt ihr/ihm überlassen. 
Wir Sie/ihr an meinen bisherigen Anträgen und Anfragen sehen können/könnt, habe ich mich bislang auf gesamtstädtische Zusammenhänge konzentriert, die alle Frankfurter Stadtteile gleichsam betreffen und wo eine zentrale Lösung gefragt ist.

Über das Selbstverständnis meiner Arbeit als Stadtverordnete

Von den 93 Stadtverordneten in der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung haben sicherlich keine zwei eine völlig gleiche Auffassung davon, wie ihr Mandat auszuüben ist.
Während einige überproportional oft in den Plenarsitzungen zu Wort kommen und in der Presse zitiert werden, kommen andere nur sehr selten oder gar nicht zu Wort. Natürlich lässt sich keinesfalls von dieser Wahrnehmung auf das tatsächliche Engagement einer/eines Stadtverordneten schließen. Viele KollegInnen in meiner und auch den meisten anderen Fraktionen führen zahlreiche Hintergrundgespräche mit den BürgerInnen, arbeiten akribisch Berge von Vorlagen und Magistratsberichten durch und lesen alles, was zu ihren Fachthemen an anderer Stelle veröffentlicht wird.
Zudem hält sich nicht jede/r für eine/n gute/n RednerIn und einigen Stadtverordneten ist sichtlich anzumerken, dass sie sich am Rednerpult ganz alleine vor den anderen 92 Stadtverordneten sichtlich unwohl fühlen.
Dazu kommt, dass nicht alle Themen des gesellschaftlichen Spektrums gleich oft besprochen werden. Entsprechend häufig oder eben selten bekommen die SprecherInnen der für das jeweilige Thema in ihren Fraktionen zuständigen Fachgruppen die Gelegenheit sich zu äußern.

Ich selbst bin Mitglied im Fachausschuss für Recht, Verwaltung, Sicherheit und Personal. Ein weites Feld und in einer Großstadt wie Frankfurt am Main gibt es hier viele Anlässe und Fragestellungen, die zu bearbeiten sind. Als Sprecherin meiner Fraktion zu diesen Themen bekomme ich also ausreichend oft die Gelegenheit in den Plenarsitzungen der Stadtverordnetenversammlung zu sprechen um nicht aus der Übung zu kommen. Trotzdem würde ich keinesfalls behaupten nach mehr als drei Jahren, in denen ich dieses Mandat ausübe, nicht mehr aufgeregt zu sein, wenn ich nach vorne zum RednerInnenpult gehe. Und das ist wohl auch ganz gut so.
Immerhin spricht man vor weit mehr als hundert Menschen im Saal und seit einiger Zeit wird die gesamte Sitzung auch noch in einem Live Audio-Stream im Internet übertragen.
Außerdem ist es wichtig, dass die ZuschauerInnen auf der Besuchertribüne und die HörerInnen an den "Empfangsgeräten" erkennen können, dass wir als Stadtverordnete auch nicht immer so abgeklärt und souverän sind, wie wir möchten.
Ich finde es gut durch die Emotion eines Redebeitrags sehen zu können, wer sich eines Themas wirklich angenommen hat und es mit Herzblut verfolgt. Alleine in diesem Jahr habe ich zwei Reden gehört, die mich so bewegt haben, dass ich sie so schnell nicht vergessen werde.

"Tue Gutes und rede darüber"

Wenn ich oben schreibe, dass nicht jede/jeder gleich oft die Gelegenheit erhält, sich und seine Arbeit einer breiteren Öffentlichkeitzu präsentieren, soll das nicht bedeuten, dass auf eine Vermittlung der Stadtverordnetenarbeit nach außen gänzlich verzichtet werden sollte.
Die erfolgreiche Umsetzung einer Initiative hat oft zahllose Gespräche und Diskussionen, dutzende Entwürfe und Gegenentwürfe über Monate und nicht selten Jahre als Vorgeschichte. Wenn also das alles schlußendlich in konkretes Handeln der Stadtregierung und ihrer Verwaltung mündet, dann ist das schon eine Mitteilung wert. 

Wichtig finde ich es persönlich aber auch zu erzählen und zu erklären, was oft initiiert und angedacht worden ist, sich nach einer Prüfung als nicht praktikabel, umsetzbar, finanzierbar oder aber in anderer Form als erledigt erwiesen hat.
Sicher trifft das auf einen großen Teil unserer Ideen und die der BürgerInnen zu.
Naturgemäß ist der Antrieb über eigene Erfolge zu sprechen größer als Mitteilung über ein Scheitern zu geben. Aber auch letzteres ist für das politische Handeln wichtig - vielleicht sogar in gleichem Maß.
Wenn nämlich in der öffentlichen Kommunikation ausgeblendet wird, was alles tagtäglich angestoßen und angedacht wird, aber dann nach einer Auseinandersetzung mit den Details wieder verworfen wird, entsteht bei den BürgerInnen der Eindruck, ihre Anregungen und Ideen würden ignoriert und ein offensichtlicher Änderungs- und Verbesserungsbedarf würde von den AkteurInnen der Kommunalpolitik überhaupt nicht bemerkt.
Umso wichtiger ist es deshalb auch, sich die Zeit zu nehmen im persönlichen Gespräch mit den Menschen zu erklären, was funktionieren kann und falls nicht, warum.
Dieser Satz ist natürlich eine furchtbare Floskel, die in der Politik inflationär gebraucht wird. Falsch ist die Aussage aber nicht. Man muss es aber halt auch machen! Nicht per Pressemitteilung, sondern wenn man abends (oder wann auch immer) mit den Leuten zusammensitzt/steht.
Präsenz auf der Straße ist also mindestens genauso wichtig wie im Plenarsaal.

Die Milchglasscheibe

Zu Beginn dieses Absatzes will ich gleich bekennen, dass die Allegorie mit der Milchglasscheibe nicht von mir sondern von der von mir sehr geschätzten ehemaligen Frankfurter Gesundheits- und Umweltdezernentin Manuela Rottmann stammt.
Der Vergleich ist einfach zu passend, als dass ich an dieser Stelle darauf verzichten wollte ihn aufzugreifen.
Er beschreibt die Transparenz politischer Prozesse in der Außenwahrnehmung sehr gut.
Während man nämlich durch eine Klarsichtscheibe alles Handeln dahinter deutlich in allen Details beobachten kann, erkennt die BeobachterIn durch die Milchglasscheibe kaum mehr als Schemen, kann die Aktionen dahinter nur erraten und sieht erst klar, wenn die AkteurInnen dahinter mit ihren Ergebnissen hervortreten.
Zur Erklärung für diese Intransparenz kann ich aus meiner Perspektive drei maßgebliche Gründe ausmachen:

1. Jargon: Bei immer wiederkehrenden Sachzusammenhängen ergibt sich zwangsläufig irgendwann die Neigung zu Abkürzungen, Fachtermini und Jargon - auch in der Politik. Dass aber kein/e AußenstehendeR ohne weiteres begreifen kann, was OA, VV oder eine B-Vorlage bedeuten, gerät dabei schnell aus dem Blick. Mir gelingt es nicht immer, aber ich achte in der Regel darauf, diese Abkürzungen im Gespräch durch eine kurze Erklärung zu ersetzen.

2. Presseberichterstattung: Auch wenn es für einige AkteurInnen in der Kommunalpolitik kaum vorstellbar ist, aber das kommunalpolitische Alltagsgeschäft liegt für viele Menschen bei der Zeitungslektüre nicht unbedingt im Fokus ihres Medieninteresses. Wir können uns in Frankfurt im Vergleich zu anderen Großstädten über eine breite Presselandschaft freuen. Gleichwohl kann verständlicherweise auch hier nicht beliebig viel Raum für alle Erklärstücke zu den tiefliegenden Details und Zusammenhängen in der Kommunalpolitik eingeräumt werden. Jedoch können die PolitikerInnen auch selbst das nötige ergänzen. Beispielsweise parallel auf den Kanälen der sozialen Netzwerke oder eigenen Websites aber auch durch öffentliche Veranstaltungen und Flugblätter.

3. Arbeitsbelastung: Die Routine von Fraktionssitzungen, Plenarsitzungen und Ausschussitzungen nimmt viel Zeit in Anspruch. Dazu kommen Repräsentationstermine zu den unterschiedlichsten Anlässen, bei denen wir unsere Fraktionen bzw. das Stadtparlament vertreten. Wie viel hier insgesamt zusammen kommt, führe ich weiter unten auf. Die Stadtverordneten üben ihr Mandat ehrenamtlich aus. Neben Beruf und Privatleben bleibt hier nicht mehr viel Zeit um alles immer so zu erklären, wie es eigentlich nötig wäre. Das ist gelegentlich bedrückend und ich habe als Lösung nur zu bieten, bei der Wochenplanung den Pflichtterminen auch Zeit für Gespräche vor Ort abzutrotzen.
Vom Gedanken alles zu 100% schaffen zu können, musste ich mich schon verabschieden.

Zeitaufwand für das Mandat

Ich bin Mitglied in zwei Ausschüssen: Im Ausschuss für Recht, Verwaltung, Sicherheit und Personal und im Ausschuss für Kultur und Freizeit. Beide Ausschüsse tagen jeweils einmal im Monat. Eine Sitzung des Rechts- und Sicherheitsausschusses dauert oft nur eine Stunde.
Im Kulturausschuss beraten wir dagegen 3-4 Stunden. Beide Ausschusssitzungen müssen vorher in den dafür zuständigen Fachgruppen meiner Fraktion vorbereitet werden um zu besprechen, wie wir die zur Abstimmung stehenden Vorlagen und Berichte votieren. Mit etwas Vorarbeit und viel Lesen der Unterlagen schafft man das jeweils in einer Stunde.
Außerdem findet einmal wöchentlich die Sitzung unserer Fraktion "Die Grünen im Römer" statt, wo wir gemeinsam alles über die Fachgruppen hinaus gehende besprechen. Die Dauer der Fraktionssitzung ist sehr unterschiedlich, ein Durchschnitt von drei Stunden ist sicher aber nicht unrealistisch.

Der Höhepunkt des parlamentarischen Monats ist die Plenarsitzung der Stadtverordnetenversammlung, die regelmäßig bis Mitternacht oder darüber hinaus dauert - also acht Stunden.

Als Stadtverordnete erhalte ich jede Woche zahlreiche Einladungen zu Empfängen und Veranstaltungen. Durch meine Teilnahme drücke ich mein Interesse und meine Wertschätzung aus und repräsentiere meine Fraktion, Die GRÜNEN und als Mitglied des Präsidiums der Stadtverordnetenversammlung gelegentlich in Vertretung für den Stadtverordnetenvorsteher auch das Stadtparlament als Gremium insgesamt.

Mir ist immer wieder von unterschiedlichen Seiten mal gesagt worden, dass ich hier überdurchschnittlich engagiert bin. Wie alles anerkennende und schmeichelhafte möchte ich das natürlich gerne glauben. Allerdings mache ich mir keine Notizen, wie viel Zeit ich pro Woche dafür aufwende. Zehn Stunden kommen aber bestimmt immer zusammen.
Sicherlich spielt mir aber hier der Umstand in die Hände, dass ich mich für viele Zusammenhänge auch außerhalb meiner Fachgebiete interessiere und mich gerne auch auf Veranstaltungen einlasse, die ich zunächst als trägen Pflichttermin erwarte, die mich dann aber überraschend wirklich beindrucken und immer mal wieder auch ziemlich bewegen.

Die Vorlagen des Magistrats, seine Berichte, die Anträge und Anfragen der eigenen und der anderen Fraktionen, die meine Fachbereiche betreffen müssen kritisch gelesen werden um sie zu bewerten und eine Meinung zu fassen. Und natürlich verfasse ich auch eigene Anträge. Hierzu muss ich mich in das Thema auch erst einlesen, viel recherchieren, mich mit Fachleute besprechen, auf Rückmeldungen warten und schließlich den Antrag so schreiben, dass mein Anliegen und der Zusammenhang für meine FraktionskollegegInnen, die Verwaltung und den Magistrat und die KollegInnen der anderen Fraktionen verständlich und nachvollziehbar wird.

Außerdem führe ich jeden Tag mehrere Telefongespräche und bearbeite ein gutes Dutzend Emails.

In Summe kommen so bei mir locker 30 Stunden in der Woche zusammen.
Aber mir macht es Spaß, ich lerne viel Neues, treffe interessante Menschen und ich würde es auf keinen Fall machen, wenn ich nicht glauben würde, dass ich damit etwas sinnvolles tue.

Kann man davon leben?

Immer unter den Top 10 der Frequently Asked Questions bezüglich des Mandates. Antwort: Nö.

 

Gemäß der Entschädigungssatzung der Stadt Frankfurt für ehrenamtlich Tätige erhalten die Stadtverordneten in Frankfurt eine Aufwandsentschädigung von 940 Euro. Darauf sind Steuern zu zahlen und knapp ein Fünftel der Summe spende ich. Ich bin allerdings zusätzlich auch noch Mitglied des Ortsbeirates 1 und Stadtbezirksvorsteherin. Dadurch kommt etwas mehr zusammen, worauf ich aber auch wieder Steuern zahle und wiederum einen Teil spende.

Im Hauptberuf arbeite ich nach wie vor gerne als freie Journalistin und Mediaberaterin. Dadurch bewahre ich mir die wirtschaftliche Unabhängigkeit von meinem Mandat und reduziere meinen Horizont nicht nur auf die Politik.

 

 

Zurück zum Anfang der Seite

Bildnachweise:

  • "Römer" copyright Jessica Purkhardt
  • "Prüfung eines Schoko-Goldtalers auf Echtheit beim Empfang im Kaisersaal im Rahmen des 75. Ordentlichen Medizinischen Fakultätentages" copyright Jessica Purkhardt

Related Articles