Viele Bereiche der Innenpolitik auf Landesebene betreffen uns als Bürgerinnen und Bürger scheinbar nur selten. Die Zuständigkeit für Polizei, Feuerwehr und Katastrophenschutz ist offenkundig. Der hessische Verfassungsschutz ist erst nur sein furchtbares Versagen bei der NSU-Mordserie in das öffentliche Bewusstsein gerückt. Neben der allgemeinen Verwaltungs- und Behördenorganisation gehört aber auch beispielsweise das Glücksspielwesen in den Bereich der Innenpolitik. Vor allem die BewohnerInnen größerer hessischer Städte leiden unter der wuchernden Zunahme von Spielhallen in ihren Ortskernen. Zu Ostern ist auch immer die Zuständigkeit für das Feiertagsrecht und das darin enthaltene Tanzverbot Anlass für kontroverse Debatten in der Öffentlichkeit.
Neben meinem Journalismus-Studium habe ich parallel auch eine Ausbildung zur Rettungssanitäterin in Hessen absolviert. Zudem habe ich über einige Jahre ehrenamtlich im Einsatzdienst einer Freiwilligen Feuerwehr gearbeitet. Entsprechend lag es für mich nahe, nach meiner Wahl zur Stadtverordneten in Frankfurt, dort Mitglied des Ausschusses für recht, Verwaltung, Sicherheit und Personal zu werden, dessen stellvertretende Vorsitzende ich mittlerweile bin. Zudem bin ich auch die sicherheitspolitische Sprecherin der Fraktion der Grünen im Römer.
Die Arbeit in diesem Bereich ist sehr vielfältig und ich schätze hier besonders die Sach- und Ergebnisorientiertheit der Aufgaben und der Beratungen. Dieser Umstand (der ja eine vergleichsweise untypische Beschreibung des Parlamentsbetriebes ist) ist wohl vor allem der Tatsache geschuldet, dass meist konkrete Fakten und Situationsbeschreibungen vorliegen, die selten zu ideologischen und parteipoliischen Zuspitzungen taugen. Gleichzeitig ist gerade das Thema Sicherheit als Bestandteil der Daseinsvorsorge besonders sensibel, so dass auch hier meist auf das übliche Geplänkel verzichtet wird und die Fragestellungen ergebnisorientiert besprochen und beschlossen werden.
Wie schnell sich jedoch gerade an der Sicherheits- und Ordnungspolitk zum Teil heftige Kontroversen entzünden können, haben die Blockupy-Tage im Mai 2012 gezeigt, in deren Zusammenhang weitreichende Demonstrationsverbote erlassen wurden. Im Nachgang wurden jedoch einige Verbote durch die Stadt Frankfurt und Maßnahmen der Polizei als unrechtmäßig befunden. Ich hatte während der Diskussion um die Verbote und den riesigen Polizeieinsatz schon im Vorfeld auf die Unverhältnismäßigkeit hingewiesen. Der friedliche Ausgang der Protestveranstaltung und die Entscheidungen der Gerichte festigen meine Auffassung, dass wir GRÜNE wichtig sind für eine maßvolle und ausgewogene Sicherheits- und Ordnungspolitik. Wie eine GRÜNE Rechts- und Sicherheitspolitik für Hessen aussehen kann, möchte ich in den nächsten Punkten beschreiben:
Unabhängige Beschwerdestelle für die Polizei
Die Arbeit der Polizei ist schwierig und oft mit einem hohen persönlichen Risiko verbunden. Gleichzeitig macht der überwiegende Anteil der Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten einen engagierten und einwandfreien Job. Dennoch ist im vergangenen Jahr 2012 mehrfach der Vorwurf gewaltsamer Übergriffen durch die Polizei laut geworden. Besonders die Anschuldigungen eines Mannes mit afrikanischen Wurzeln, der nach einer Fahrkartenkontrolle in Frankfurt-Bornheim durch die hinzugerufene Polizei so erheblich verletzt worden sei, dass er ins Krankenhaus musste, hat in Frankfurt viele Menschen erschüttert und zu Spontan-Demonstrationen gegen Rassismus geführt. Gleichzeitig ist das Ansehen und das Vertrauen der Menschen in die Polizei und ihre Arbeit durch diese und andere Vorwürfe beschädigt worden.
Ich habe mich deshalb in meiner Funktion als Stadtverordnete der GRÜNEN im Römer mit dem verletzten Mann getroffen, um mir die Vorfälle unabhängig von der Presseberichterstattung persönlich schildern zu lassen. Die Ausführung haben mich sehr betroffen gemacht - vor allem die Enttäuschung des Mannes, der mir im Gespräch mehrfach gesagt hat, dass er Frankfurt und Deutschland als seine Heimat betrachtet hatte jetzt aber, nachdem er wegen seiner Hautfarbe mutmaßlich misshandelt wurde, sehr daran zweifelt, ob das wirklich der Fall ist. Es ist deshalb wichtig, dass die Vorwürfe gegen die beschuldigten BeamtInnen zügig und umfassend aufgeklärt werden. Rassisten und Schläger haben in der Polizei nichts zu suchen.
Leider hat sich die Aufklärung bei ähnlichen Fällen in der Vergangenheit lange hingezogen, so dass bei den BürgerInnen der Eindruck entstanden ist, dass das auch gewollt sei.
Dabei ist das Vertrauen in die Polizei und die Rechtmäßigkeit ihres Handelns wichtig für den gesellschaftlichen Frieden. Außerdem hat es die große Mehrheit der anständigen, engagierten BeamtInnen, die einen rechtlich einwandfreien, untadeligen Job machen, nicht verdient, durch unausgeräumte Gewaltvorwürfe in ihrem Ansehen herabgesetzt zu werden.
Als GRÜNE unterstützen wir deshalb seit zusammen mit der Menschenrechtsorganisation Amnesty International die Forderung nach der unabhängigen Untersuchung von Polizeiübergriffen.
Die Grüne Landtagsfraktion hat deshalb jetzt einen Gesetzentwurf zur Schaffung eines unabhängigen Landespolizeibeauftragten in den Hessischen Landtag eingebracht.
Reform des Feiertagsgesetzes
In den vergangenen Jahren hat das im Hessischen Feiertagsgesetz festgeschrieben Tanzverbot an Ostern zu kontroversen und heftigen Debatten geführt. Der Artikel 7 des Gesetzes verbietet an gesetzlichen Feiertagen (ohne Tag der Deutschen Einheit und den 1. Mai) öffentliche Tanzveranstaltungen zwischen 4 und 12 Uhr. Am Karfreitag von 0 Uhr an, am Volkstrauertag und Totensonntag von 4 Uhr sind zusätzlich alle Tanzveranstaltungen und öffentlichen sportlichen Veranstaltungen gewerblicher Art verboten.
Bei vielen jungen Menschen und/oder Menschen, die sich der christlichen Tradition nicht oder nur wenig verbunden fühlen, stößt das Tanzverbot auf Unverständnis und wird als überholt angesehen. Vor allem, weil nach dem Gesetz Alkoholkonsum und laute Musik nicht verboten sind - aber das Tanzen.
Im Übrigen gilt das Feiertagsgesetz auch für Sonntage. Das bedeutet, dass auch hier ab vier Uhr das Tanzen verboten ist. Mit der gelebten Realität haben die Regelungen des Feiertagsgesetzes also nichts mehr zu tun. Dabei handelt es sich nicht lediglich um den Zeitgeist, sondern um die Tatsache gesellschaftlicher Veränderung. Und die Wahrnehmung des christlichen Brauchtums ist im Jahr 2013 nachweislich eine andere als 1971, dem Entstehungsjahr des Feiertagsgesetzes.
Wer an Ostern nicht Tanzen möchte, der soll das auch nicht tun, aber auch niemandem verbieten. Wer auf die seelische Erhebung an Feiertagen verzichten möchte, soll dies tun, ohne andere Menschen und ihr Bedürfnis nach einem Innehalten zu stören.
Es ist aber darauf zu achten, dass es bei einer Reform des Feiertagsgesetzes lediglich darum geht, Unstimmigkeiten in der Rechtsvorschrift zu bereinigen und das Gesetz an die gelebte Realität anzugleichen. Dabei ist es wichtig, die Schutzbestimmungen des Feiertagsgesetzes nicht auszuhöhlen. Der Sonntag darf kein Werktag werden! Zudem gibt es Feiertage, die auch abseits der christlichen Tradition nicht zum Partymachen geeignet sind. So der Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus und die Toten beider Weltkriege (Volkstrauertag) und der Totensonntag.
Aber auch die oben genannte gelebte Realität ist einem heterogenen Bundesland wie in Hessen durchaus unterschiedlich. Deshalb sind auch die Bestimmungen zu einem stillen Karfreitag im Feiertagsgesetz der Karfreitags-Praxis in vielen ländlichen Regionen Hessens angemessener als in größeren Städten, wo das Tanzverbot schon seit vielen Jahren keine Rolle mehr spielt. Das Feiertagsgesetz polarisiert und entzündet pünktlich immer zu Ostern eine heftige und emotionale Debatte. Die Politik muss also den in Gang gekommenen Diskurs aufgreifen und sachlich und sensibel fortführen um hier zu einem Ausgleich zu kommen.
Die hessische Verfassung
Hessen braucht eine moderne Verfassung, die an die gesellschaftlichen Realitäten angepasst ist, ohne ihre historischen Verdienste aufzugeben. Eine Verfassung gehört nicht ins Museum, sondern in die Mitte der Gesellschaft.
Vor allem folgende Vorschriften sollen gestrichen werden:
- Die Verankerung der Todestrafe (Art. 21 Abs. 1 Satz 2, Art. 109 Abs. 1 Satz 3)
- die Sofortsozialisierung von kohle und Stahl sowie die staatliche Aufsicht über Banken und Versicherungen (Art. 41)
- Die Bodenreform (Art. 42)
- Das Verbot der Teilnahme von Angehörigen der bis 1918 in Deutschland regierenden Häuser an der Landesregierung (Art. 101 Abs. 3) sowie
- Einige (Übergangs-) Vorschriften am ende der Verfassung, die im zusammenhang stehen mit dem Besatzungsstatut nach dem Ende des 2. Weltkrieges
Gleichzeitig muss die Gleichstellung von Mann und Frau in der hessischen Verfassung verankert werden.
Auch die Absenkung des passiven Wahlalters zum Landtag auf 18 Jahre soll an die Regelungen zur Wahl des Deutschen Bundestages und der übrigen Landtage angeglichen werden.
Volksbegehren und Volksentscheide müssen erleichtert werden. Das gilt insbesondere für:
- die Einführung der Möglichkeit einer Verfassungsänderung durch Volksbegehren
- die Absenkung des 20%-Quorums in der Verfassung auf höchstens 10%
- die Absenkung des Einleitungsquorums auf 1% der Stimmberechtigten
- die Verlängerung der Eintragungsfrist auf drei Monate
- die Herstellung und Versendung der Eintragungslisten durch den Landeswahlleiter
und
- die Übernahme der Kosten durch das Land.
STRAFVOLLZUG in Hessen
Im Jugenstrafverfahren ist es wichtig einer/m straffällig gewordenen Jugendlichen, das Unrecht ihr/ihm das Unrecht der Tat vor Augen zu führen. Dazu ist die Zeitspanne zwischen Tat und Strafe von entscheidender Bedeutung. Eine deutliche Verkürzung der Verfahren und eine Ausweitung des beschleunigten Jugenstrafverfahrens ist deshalb wichtig.
Gleichzeitig müssen die Angebote für straffällig gewordene Jugendliche verbessert werden. Jugendgerichte müssen die Möglichkeit haben, den straffällig gewordenen Jugendlichen Weisungen zu erteilen hinsichtlich der Teilnahme an Anti-Aggressions-Trainings, sozialen Trainingskursen, Täter-Opefer-ausgleich, Begleitung bei gerichtlich auferlegten Arbeitsstunden und Bildungsmaßnahmen. Die Landesförderung für diese Angebote muss die Schaffung dieser Angebote unterstützen.
Der offene Jugendvollzug muss dem Vorbild anderer Bundesländer folgen und auch in Hessen gleichberechtigt angeboten werden.
Die Aufgabe des Strafvollzuges ist nicht der reine Verwahrvollzug oder gar Vergeltungsvolllzug. In Hessen soll der Behandlungsvollzug den Strafvollzug prägen. Das bedeutet auch, dass der Vollzug von Anfang an auf die Zeit nach dem Vollzug ausgerichtet sein muss und nicht erst in der letzten Vollzugsphase. Während des Vollzugs muss die Grundlage für die Zeit danach gelegt werden, z.B. mit Qualifizierungsmöglichkeiten durch schulische und/oder berufliche Bildungsangebote.
Die psychiatrische Versorgung muss daher dringend verbessert werden. Außerdem muss eine notwendige Drogentherapie einschließlich Substitutionsbehandlung auch im Vollzug möglich sein.
Die Teilprivatisierung der JVA Hünfeld muss daher kritisch evaluiert werden Im Zweifel muss die gesamte JVA wieder in staatliche Verantwortung übernommen werden.
Insgesamt muss der Strafvollzug
- die Resozialisierung als einziges Vollzugsziel festschreiben;
- Behandlungsmöglichkeiten bei psychischen Erkrankungen verbessern;
- Drogenabhängigkeit nicht nur repressiv, sondern auch mit therapeutischen Mitteln begegnen;
- den offenen Vollzug als eigenständige Vollzugsform wieder herstellen;
- eine Vollzugsplanung unter Einbeziehung der Gefangenen;
- Information der Gefangenen über gerichtliche Beschwerdemöglichkeiten;
- eine klare Festlegung auf hoheitliches Handeln allein durch Vollzugsbeamte, keine künstliche Trennung zwischen hoheitlichen und nicht-hoheitlichen Maßnahmen,
- kritische Überprüfung und ggf. Abschaffung der Teilprivatisierung der JVA Hünfeld.
Bei einer Konzentration der Sicherungsverwahrung an einem Ort müssen Vorkehrungen dagegen getroffen werden, dass die ausgewählte Region zu einem Sammelbeckenfür Gewalttäter wird, wenn diese nach ihrer Entlassung mangels Bindungen in der ursprünglichen Herkunftsregion auch nach ihrer Entlassung in der Nähe der Anstalt verbleiben. Deshalb sollten die Sicherungsverwahrten unmittelbar vor ihrer Entlassung in eine JVA der Herkunftsregion verlegt und dort entlassen werden.
Der Einsatz der elektronischen Fußfessel soll auch auf den Vollzug von Ersatzfreiheitsstrafen (z.B. wenn verhängte Geldstrafen nicht gezahlt werden) ausweiten.
JUSTIZ
In Strafverfahren müssen die Opfer von Straftaten besser geschützt werden. Dies gilt insbesondere bei minderjährigen Opfern von Gewalttaten und sexuellem Missbrauch. Deshalb muss die Anhörung per Videoaufnahme flächendeckend ermöglicht werden.
Au0erdem müssen auch die Zeugen bei Gericht besser betreut und auf die Hauptverhandlung vorbereitet werden.
Die Unabhängigkeit des Staatsgerichtshofes muss gestärkt werden. Seine Mitglieder sollen künftig vom Justizausschuss gewählt werden.
Die IT-Ausstattung der hessischen Justiz muss weiter verbessert werden.In Zusammenarbeit mit anderen Länder-Justizverwaltungen muss die Software-Entwicklung vorangetrieben werden.